20.06.08, The Notwist/Tocotronic/Dillon, Schlachthof Wiesbaden

Gipfeltreffen der Giganten, dachte ich. Genialität im Doppelpack, dieser von der Powerline Agency gebuchte Abend.
Obwohl das ja musikalisch schwer zusammenpasst. Aufregende Sache, ich war gespannt.

--und dann.

Das Schuljahr war geschafft, die Mittelstufe lag hinter mir, ein dreifaches Hurra!
Der Tag hätte nicht besser werden können. Freitag Nachmittag, ich war glücklich, und fieberte dem Abend entgegen. Als ich dann später auf dem Schlachthofgelände ankam, sah ich erstaunlich wenige Menschen. Ich hatte mit einem ungeheuren Rummel gerechnet. Ich setzte mich zu den bereits Wartenden vor den Eingang und hörte Tocotronic beim Soundcheck zu. Kapitulation wurde gespielt, und es klang wunderbar. Als die Türen sich öffneten, wurde mir erst wieder bewusst wie groß der Schlachthof doch war. Ich vergesse es immer wieder. Man kann es ja schon fast eine Halle nennen. Doch, es ist eine Halle. Den Anfang machte Dillon. Sie saß am Keyboard, neben ihr ein Herr an den Trommeln, Lolitagesang, Rhythmus, ja. Aber im grunde lahm. Die Menge stand nach drei oder vier Songs immernoch teilnahmslos locker herum. Ich sehnte das Ende der Vorstellung herbei. Es kam bald..
Dirk von Lowtzow betrat die Bühne, gefolgt von seiner genialen Mannschaft. Jubel und Geschrei.
Und es ging los mit Freiburg. Ein Klassiker. Besonders die Älteren waren begeistert. Es folgten darauf zwei weitere alte Stücke, Ich bin viel zu lange mit euch mitgegangen und Sie wollen uns erzählen. Spätestens jetzt war jeder mit dabei. Neben mir großer Pogo, Gegröle überall. Sie machten weiter mit ein paar Liedern des letzten Albums, Kapitulation. Imitationen, Aus meiner Festung... Sag alles ab und Kapitulation. Natürlich auch die alten Hits, bei denen dann wirklich jeder mitgesungen hat, die älteren Hamburger-Schule-Anhänger genauso wie die jungen. Hi Freaks, Aber hier leben nein danke, Let there be Rock. Man fühlte plötzlich, wie sich alle auf die sloganhaften Refrains einigen konnten, es herrschte eine Atmosphäre wie beim Grillabend unter Freunden. Und sämtliche Berührungsängste verschwanden. Dirks Ausstrahlung riss alle in seinen Bann. Gegen Ende hatte jeder noch einen Liedvorschlag und brüllte seinen Lieblingstitel in Richtung Bühne, was bei den häufig nicht kurzen Songtiteln ein heilloses Durcheinander bedeutete. Ja, es wurden sogar Abstimmungen gestartet. Viel zu viele großartige Stücke, um ihnen allen gerecht zu werden. Also spielten sie zum Abschluss noch ein Lied des neuen Albums, Explosion. Hiermit schwang die Stimmung um. Es wurde ruhiger, alle starrten hypnotisiert auf einen Punkt, der Raum war plötzlich ausgefüllt von einer sich steigernden Flut aus Klang. Unglaublich.

ALLES GEHÖRT DIR
EINE WELT AUS PAPIER
ALLES EXPLODIERT
KEIN WILLE TRIUMPHIERT

Sie haben wirklich bewiesen, wie treu sie sich geblieben sind. (Auch wenn das eine längst ausgelutschte Phrase ist.) Dass die neuen Lieder sich so nahtlos einfügen, hätte ich nicht gedacht. Sie verließen die Bühne, während alle noch nicht ganz aus der Erstarrung aufgewacht waren, wurden aber sofort für eine Zugabe zurückgerufen.
Dirk entschuldigte sich für ihre leider sehr begrenzte Zeit. Es war wirklich viel zu kurz.
Die Zugabe: Ich habe Stimmen gehört, um die geisterhafte Stimmung noch einmal heraufzubeschwören.
Und dann war der Spuk vorbei.

Hier noch ein paar Videos von meiner Kamera:

Imitationen


Let there be Rock


Hi Freaks


Explosion





Nach einer längeren Umbauphase und vielen Besuchern, die die Halle jetzt verließen, dabei an anderen, die erst jetzt nach vorne kamen, vorbeiliefen... betraten The Notwist die Bühne und starteten direkt mit der Single Good Lies aus dem neuen Album The Devil, You and Me. Ein großartiger Auftritt, wie zu erwarten war. Viele seelig mitsingende Menschen, versunken in dieser riesigen Soundkulisse, die wie aus dem Nichts erschaffen wurde. Ich mag hier die Schlachthof-Homepage zitieren: Vieles gäbe es zu erzählen, ein warmes Leuchten im Rückspiegel der Erinnerung. Das Stürmen und Drängen, die Verzerrer, die Geschwindigkeit, fast zwanzig Jahre ist es schon her.
Tja, ich scheine also zu jung zu sein, um das Phänomen Notwist im Ganzen verstehen zu können.



This Room


Neon Golden

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Sehr schöne Zusammenfassung dieses äußerst gelungenen, aber wie du schon richtig erwähnt hast viel zu kurzen Konzertes. Danke für die Videos und die damit verbundene schöne Erinnerung.